Susanne Lorenz ist Expertin für gewaltfreie Kommunikation und unterstützt Führungskräfte und Selbstständige dabei, ihre Gesprächsführung und Zusammenarbeit zu verbessern.
In diesem Interview gibt sie wertvolle Tipps, wie die Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation im Berufsalltag angewendet werden können. Susanne erklärt die Grundlagen und Vorteile dieses Konzepts und zeigt, wie es zu mehr Verständnis und besseren Beziehungen führt.
Sie verrät, wie schwierige Gespräche souveräner geführt werden können und wie Selbstständige mithilfe der gewaltfreien Kommunikation effektiver mit Kunden umgehen können. Außerdem geht Susanne auf ihr Buch „Superkräfte für Führungskräfte – gewaltfreie Kommunikation im Beruf“ ein und erklärt, wie sich mit diesem Konzept Führungsqualitäten verbessern lassen.
Kurzum: Die Expertin für gewaltfreie Kommunikation gibt in diesem Interview wertvolles Praxiswissen weiter, das sowohl Führungskräften als auch Selbstständigen im Berufsalltag weiterhilft.
Susanne, du bist Expertin für gewaltfreie Kommunikation. Kannst du kurz erklären, was sich dahinter verbirgt?
Ja, klar! Bei der gewaltfreien Kommunikation handelt es sich um eine Kommunikationskultur, die auf Wertschätzung und Kooperation aus ist. Sie lebt von einer Haltung auf Augenhöhe, aus der einzelne Elemente entstehen.
Die Elemente der gewaltfreien Kommunikation:
- Beobachtung,
- Gefühle,
- Bedürfnisse
- und Bitte
Diese helfen uns dabei, zu reflektieren, um uns selbst und andere besser zu verstehen. Auch um schwierige Gespräche vorzubereiten und durchzuführen, sind diese Punkte sehr hilfreich.
Was sind die wichtigsten Vorteile der gewaltfreien Kommunikation, insbesondere für Soloselbstständige und ihre Arbeit mit Kunden und Geschäftspartnern?
In der Zusammenarbeit mit Menschen läuft ja bekanntlich nicht immer alles rund. Oft treffen verschiedene Ansichten aufeinander, weil wir auch unterschiedliche Erwartungen und Herangehensweisen haben. Da kann es schon mal passieren, dass man sich über den anderen aufregt oder auch denkt, dass man über den Tisch gezogen wird, auch wenn der andere das gar nicht beabsichtigt.
Die vier Elemente der gewaltfreien Kommunikation unterstützen uns dabei, genauer herauszufinden, was uns gerade stört.
Auch können wir sie nutzen, um uns in den anderen hineinzuversetzen. Dadurch bekommen wir mehr Klarheit und Verständnis. Auf dieser Grundlage führen wir ganz andere Gespräche, als wenn wir aus Ärger oder Frust den Kontakt aufnehmen. Wir machen dann zum Beispiel weniger Vorwürfe und werden uns eher unserer Vorurteile bewusst.
So ist auch der Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern wesentlich wertschätzender.
Ein wichtiger Aspekt der gewaltfreien Kommunikation ist, die eigenen Beobachtungen neutral und klar auszudrücken. Warum fällt das vielen Menschen so schwer und wie kann man das trainieren?
Das liegt daran, dass es normal ist, dass wir ständig und alles bewerten. Wir machen uns das gar nicht bewusst und denken, dass alles, was wir so denken, tatsächlich stimmt. Klar: der Kunde hat das absichtlich gemacht, der Geschäftspartner nimmt uns gar nicht ernst. Doch woher wissen wir das eigentlich?
Bei der Beobachtung geht es darum, dass wir uns auf das fokussieren, was wahrnehmbar ist und nicht auf die Geschichten, die wir uns so erzählen, um die Welt besser einordnen zu können.
Vollkommen neutral zu sein ist natürlich auch schwer. Doch wir können es immer wieder üben, indem wir uns die Zeit dafür nehmen.
Ein Beispiel dazu: Neulich war ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs und lief die Treppe runter zur Bahn. Ich sah, dass die Bahn schon da stand und die Türen geschlossen waren. Ein Mann neben mir rannte die Treppe runter. Die Bahn fuhr los. Der Mann machte eine Faust und schüttelte sie mit Blick auf den Fahrer in der Luft. Dann schlug er mit seiner Faust gegen einen Fahrkartenautomaten.
Das war eine recht neutrale Beschreibung.
Jetzt kann ich mir dazu Geschichten erzählen:
- Er hatte es eilig. (Das scheint noch recht plausibel zu sein.)
- Ich kann jetzt auch Angst bekommen und mir denken, dass er sich schlecht beherrschen kann.
- Vielleicht ist er sogar gefährlich.
- Vielleicht reagiert er immer so, wenn er nicht bekommt, was er will.
Das kann ich alles denken. Ob das stimmt, weiß ich jedoch nicht.
Üben wir das auch im Umgang mit unseren geschäftlichen Kontakten, bekommen wir viel mehr Abstand.
Wir gehen neutraler, das heißt weniger emotional aufgeladen, auf den anderen zu, da wir uns erstmal auf das beziehen, was wahrnehmbar ist.
Wie kann gewaltfreie Kommunikation helfen, schwierige Gespräche mit Kunden und Geschäftspartnern leichter zu führen, z.B. wenn es darum geht, Kritik zu äußern oder unangenehme Gespräche zu führen?
Zum Beispiel, indem wir beobachten – wie eben geschildert – und so weniger unseren Gefühlen ausgeliefert sind.
Auch gehen wir mit unseren Gefühlen anders um: bewusster und achtsamer.
Wir geben anderen nicht die Schuld dafür, wie wir uns fühlen, weil wir verstanden haben, dass wir selbst dafür verantwortlich sind, wie es uns geht.
Zusätzlich hilft es, sich immer wieder bewusst zu machen, dass wir oft die Beweggründe des anderen nicht kennen.
Nachfragen ist da echt ein Zaubermittel, das ich immer wieder anwende. Also: Nicht gleich meckern, was einem nicht gefallen hat, sondern fragen, was hinter dem Verhalten gesteckt hat!
Empathie und Perspektivenwechsel sind wichtige Punkte der gewaltfreien Kommunikation. Wie können diese Fähigkeiten die Zusammenarbeit mit Kunden und Geschäftspartnern verbessern?
Empathie ist für mich die Grundlage dafür, neugierig zu sein und Fragen zu stellen.
Bin ich nicht empathisch, interessiert es mich gar nicht, ich stelle keine Fragen und gehe einfach davon aus, dass der andere mir zum Beispiel schaden wollte, als er mir ein anderes Produkt lieferte als besprochen oder ähnliches.
Empathie ist also auch eine Voraussetzung für den Perspektivwechsel.
Davon profitieren beide: Ich als derjenige, der sich in den anderen versetzt, weil ich dadurch ebenfalls mehr Abstand bekomme und mir Dinge weniger zu Herzen nehme.
Der andere hat auch etwas davon, weil ich dadurch offener für andere Lösungen und zugewandter bin. Dadurch können wir auf Augenhöhe die Situation besprechen, die zum Unmut geführt hat.
Hast du noch weitere Tipps für Soloselbstständige, wie sie mithilfe der gewaltfreien Kommunikation besser mit Kunden und Geschäftspartnern kommunizieren können?
Ja 😊. Mach dir immer wieder bewusst: Hinter jedem vermeintlich bösen Wort steckt ein Gefühl, das darauf deutet, dass ein Bedürfnis nicht erfüllt ist.
Wir meckern nicht einfach nur so. Wir haben einen Grund.
Manchmal wollen wir auch nur Aufmerksamkeit. Doch oft genug geht es um viel mehr.
Versuche das im Austausch mit dem anderen herauszufinden! Du wirst sehen, dadurch fühlt sich das ganze Gespräch gleich ganz anders an.
Man muss weniger Angst davor haben, Dinge anzusprechen. Wir wollen nämlich nicht dem anderen sagen, was er alles falsch gemacht hat. Wir wollen den anderen verstehen und verstanden werden. Das macht es wiederum leichter, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.
Du bietest auch Seminare und Coachings zur gewaltfreien Kommunikation an. Für wen sind diese Angebote besonders geeignet?
Überwiegend bin ich direkt in Firmen unterwegs und gebe dort die Trainings für Führungskräfte und ihre Teams.
Der Fokus ist dabei darauf, die interne Kommunikation zu verbessern und die Menschen dabei zu unterstützen, Konflikte wirklich anzusprechen, damit sie gemeinsam geklärt werden können.
Das eignet sich somit für alle, die bereit sind, an ihren Problemen zu arbeiten und dafür auch einen Schritt auf den anderen zuzugehen.
In deinem Buch „Superkräfte für Führungskräfte“ stellst du die gewaltfreie Kommunikation in den Mittelpunkt. Warum eignet sich dieses Konzept so gut für Führungskräfte? Und ist das Buch auch für Soloselbstständige anwendbar?
Die gewaltfreien Kommunikation eignet sich für jeden – egal, ob du nun Führungskraft bist oder nicht.
In dem Buch ist der Fokus auf Führungskräften, weil diese aus meiner eigenen Erfahrung oft nicht konfliktfähig genug sind und auch viel zu oft nicht genügend Unterstützung bekommen in dieser herausfordernden Rolle.
Außerdem ging es mir ja jahrelang auch so und deswegen konnte ich hier gut meine eigenen Erfahrungen als Führungskraft als Beispiel nehmen.
Als Manager brauchst du so viele Fähigkeiten, um wirklich gut zu sein:
- Du musst auf dich selbst achten,
- Selbstfürsorge betreiben,
- für die anderen da sein,
- streng sein können,
- schwierige Entscheidungen treffen,
- wertschätzend Feedback geben und Konfliktgespräche führen
- und es aushalten, wenn man dich auch mal nicht leiden kann.
Bei all diesen Aspekten hilft die Haltung der gewaltfreien Kommunikation.
Das Buch bringt dir auch viel, selbst, wenn du nicht andere führst. Schließlich müssen wir uns auch selbst führen und mit unseren Mitmenschen immer wieder unangenehme Dinge klären.
Auf dem Cover bist du als Superheldin abgebildet. Was ist deiner Meinung nach die größte Superkraft, die Führungskräfte und auch Selbstständige durch das Buch erlangen können?
Das ist eine schwere Frage, denn meiner Meinung nach sind das mehrere.
Wenn ich mich aber entscheiden müsste, dann ist es die Fähigkeit zur Reflexion. Denn nur, wenn wir reflektieren und uns selbst hinterfragen, bekommen wir raus, ob wir gerade empathisch sind und ob wir mehr oder weniger unterstützen sollen.
Durchs Nachdenken können wir uns selbst besser verstehen und auch Dinge ändern. Verschließen wir uns davor und denken wir, dass es nur eine Wahrheit gibt, macht es das Leben sehr schwer.
Um diese Reflexion zu üben, habe ich neben der gewaltfreien Kommunikation auch andere Methoden im Buch integriert, weil sie die gewaltfreie Kommunikation wunderbar ergänzen.
Über Susanne Lorenz
Susanne hat sich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem sie im Anschluss an ihr Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt hat. Ihre Leidenschaft ist die gewaltfreie Kommunikation. Ihre Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.
Mit ihren Coachings und Trainings erhöht sie die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen.
Mehr über Susanne:
- Ihr Blog auf www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.
- Susanne live erleben: Gespräche gekonnt steuern, statt zuzusehen, wie sie außer Kontrolle geraten.
- Ihr Buch: Superkräfte für Führungskräfte – gewaltfreie Kommunikation im Beruf.
Nicole Werner
Ich bin Wirtschaftsinformatikerin, Datenschutzbeauftragte, Bloggerin, Vermittlerin und neuronale Pingpong-Spielerin. Ich mache komplexe Themen verständlich und liebe TechNights.
Mehr über mich erfährst du auf meiner Über Mich Seite. Bleib auf dem Laufenden und melde dich zu meinem Newsletter an.